Auch an mir ist das alljährliche Damoklesschwert der Lehrer leider nicht vorrübergezogen. Es hing fröhlich blinkend seit dem Schulanfang über mir, immer tiefer kommend je näher es dem Dezember ging.
Der alljährliche Vorweihnachtszeit-Bastelnachmittag
Dazu möchten dann bitte gerne ALLE Eltern, Geschwister, Tanten, Onkel, Oma, Opa, Haustiere und was weiß ich wer noch, gerne eingeladen werde.
Ich habe mich lange davor gedrückt, weiter aufgeschoben, ignoriert..nichts hat geholfen. Nachdem mich dann die Elternvertreter drauf festgenagelt haben, wieeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeee schön das doch wäre, stimme ich zu.
Ja, total schön denke ich und kann mir spontan schöneres vorstellen, z. B mir eine Gabel in mein linkes Auge zu stechen!
Schnell findet sich ein Termin, und damit fängt mein Stress an.
Ich habe mir fest vorgenommen dieses Jahr GARNICHTS vorzubereiten. Dieses GARNICHTS endet in einem Gedicht, was phantastischerweise für jedes Kind 1 Strophe bereithält. Die Kenner unter euch denken jetzt bestimmt an die Weihnachtsmaus, die war es aber nicht, die hat mich letztes Jahr schon genervt ...es war bestimmt die Weihnachtsmaus, die über Nacht gekommen...blablablabla. Nach der 50. Strophe hatte ich den spontanen Drang mich aufzuhängen. Dieses Jahr nicht!
Also schön fächerübergreifend (HA! guter Unterricht, bitte sehr!!) was über Tiere im Winter in Sachkunde, in Deutsch das Gedicht und dann zur Freude der Eltern das Gedicht vortragen. Wenn das mal kein guter Unterricht ist, dann weiss ich es auch nicht :)
Ein Elternbrief ging raus: Wir würden uns sehr freuen wenn Sie uns mit Kaffee, Plätzchen oder Kuchen unterstützen. Außerdem müssen Tassen/ Becher für Ihre Familie mitgebracht werden
Soweit, so unklar!
Schnell noch eine weihnachtliche Bastelei vorbereitet, damit den Eltern nicht langweilig wird, wohlweisslich schon vorgezeichnet und grob ausgeschnitten, da der allgemeine Erziehungsberechtigte NICHT in der Lage ist, eine Vorlage abzuzeichnen, ohne das man den Rest der A3 Pappe wegwerfen kann. Für alle: NEIN, ich lege die Vorlage NICHT mittig auf den Bogen und schneide einfach fröhlich drauflos!!!
Tag X kam, und ich schmücke die Klasse mit den Kindern weihnachtlich. Mein Mann hatte 2 Tage vorher mit meiner Klasse schon gefühlte 5000 Kekse gebacken. Mal ganz ehrlich, wer möchte das? Mit 24 Kindern Kekse backen? Ich nicht! Aber er hat es gemacht und ich bin ihm auf ewig dankbar :) Wie sagt man so schön, wenn man mit einem Lehrer verheiratet ist, hat jeder was zu tun :)
Diese 5000 Kekse dann kunstvoll auf Weihnachtstellern und Tannengrün auf den Tischen drapiert und jetzt hieß es warten. Für 15 Uhr war geladen, um 15:15 waren immer noch nicht alle da,die Bude war aber schon rappelvoll. Die ersten Tränen mussten schon getrocknet werden: "Meine Mama ist noch nicht da, die kommt immer zu spät" Tatsächlich hatte sie recht, diese Frau kommt tatsächlich IMMER zu spät, oder wahlweise gar nicht! Aber wir fingen trotzdem an. Kurze Begrüßungsrede, alle Kinder nach vorne, Gedicht anfangen. Die brav gelernten Strophen wurden runtergerasselt und Showdown..die Tür ging auf, die heiß ersehnte Mutter stand in der Tür. Auftritt Kopftuchmutti ( ohne das jetzt böse zu meinen, ich sage das nur, damit man sich sie besser vorstellen kann: diese Frau füllt die Tür komplett aus) Handy IM Kopftuch am Ohr,( wie praktisch , hat man beide Hände frei) laut Arabisch vor sich hinschwafelnd bzw. schreiend, stapfte sie durch den Raum zu den anderen arabischen Kopftuchmuttis. Das da vorne gerade die Kinder aufgeregt auf ihren Auftritt warten, interessierte sie nicht. Wie auch, sie telefonierte ja immer noch. Einfach ignorieren, weiter im Text. Alle Kinder hatten ihre Strophe fertig. Auftritt die zweite: " Warum du nix ?" ( in LAUT! Man muss ja das Telefongespräch am Ohr übertrumpfen) Dem Mädchen war es sichtlich peinlich, schlich zu ihrer Mutter und klärte sie auf, das sie sehr wohl was gesagt, sie es aber ob ihres Zuspät-Kommens verpasst hätte.
Ihr erinnert Euch an den Elternbrief? Bitte etwas mitbringen. Nun von 24 Eltern haben tatsächlich 4 etwas mitgebracht. 1 Kanne Kaffee war darunter, 3 Teller mit Plätzchen und ein Kuchen.
Auftritt die dritte " Wo ist Kaffee?" Madame sitzt mitten im Weg, kommt zu spät, telefoniert die ganze Zeit , hat NICHTS mitgebracht und beschwert sich lauthals, das weder Kaffee noch Milch für eben diesen vorhanden ist. Solche Eltern sind mir die liebsten, und da fragt man sich wieso die Kinder bekloppt sind!
Mit aufgeklebtem Lächeln erkläre ich die Bastelarbeit, eben diese Mutter rafft sich alle Goldsternchen, Klebstoff und Dekorationen und fängt an zu basteln und wahllos alle Plätzchen in sich hineinzustopfen.
Ein Vater steht neben mir: " Naaaaaaaaaaaaaaa, Frau Peh, wie isset?" "Yoah, super, danke und ihnen?" sage ich, denke aber " Wie soll es mir schon gehen. Laber mich nicht voll, bastel deinen Kram und hau wieder ab" Und da kommt es ..darauf habe ich schon gewartet " Geht xy Gymnasium?" So kurz vor den Empfehlungen versuche ich mich möglichst immer vor den Eltern zu verstecken , beim Einkaufen, vorm Feierabend..weil diese Frage immer unweigerlich von den 4.Klässlereltern gestellt wird. Ich sage ihm das ich da überhaupt gar nichts zu sagen könnte, ich würde aber gerne einen Termin mit ihm machen, wenn er das gerne möchte. Er zieht ab.
Endlich Feierabend. Die üblichen Eltern helfen aufräumen, ich hab einen Gutschein vom Elternrat bekommen, der mich wirklich freut. Ein paar Dankesworte der Eltern, ich bin gerührt. Danke hier, danke da, schöne Feiertage, guten Rutsch.
Da kam er: Auftritt die vierte: Mama Handy erhebt sich. Holt ihre Handtasche. Öffnet sie. Packt die Dose mit den übriggebliebenen Plätzchen. Schüttet sie in ihre Handtasche. Rauscht ab. OHNE WORTE!Ich möchte aber an dieser Stelle Helge Schneider zitieren, welches mir spontan in den Sinn kam:
"Du bist immerhin von armen Eltern. Erziehung wird bei euch wohl nicht so groß geschrieben,was !"
Alleine mit meiner Kollegin sitze ich noch ein paar Minuten in der Klasse. Trinke noch einen Kaffee ( ICH hatte ja einen Becher und eine Kanne Kaffee mitgebracht) und genieße die Ruhe. Endlich geschafft. Hab ich wieder ein Jahr Ruhe mit Elternbespaßung. Irritiert sehe ich auf einmal ein fröhlich blinkendes Schwert über mir und eine kleine böse Kinderstimme flüstert mir ins Ohr:
" Gehen wir Klassenfahrt?"
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